Vom Rock in Rio ins Chreis Cheib – ein Gespräch mit CALIENTE! Festivalgründer Roger Furrer.

Was haben Queen, Fidel Castro und Europas grösstes Latinomusikfestival gemeinsam? Die Antwort lautet: Roger Furrer – ein Visionär mit grenzenloser Leidenschaft, unerschütterlichem Pioniergeist und einem feinen Gespür für Musik, Menschen und Kulturen. Seit 1995 bringt er mit dem CALIENTE! Latin Music Festival Zürichs Strassen zum Brodeln.

Wenige Tage vor dem Start des CALIENTE! treffen wir Roger Furrer dort, wo seit 1995 das Herz des Festivals schlägt – mitten im Zürcher Kasernenareal. Der Gründer und Macher des grössten Latin-Festivals Europas erzählt von einer Reise, die bei Queen begann, mit Compay Segundo im ausverkauften Volkshaus explodierte – und ihn bis an den Verhandlungstisch mit Fidel Castro führte. Was ihn seither antreibt, wie er Brücken zwischen Kulturen baut – und was ihn mit der Benedict Schule verbindet –, hat er uns im Interview verraten.

Woher kommt deine Passion zu Musikfestivals?

Ich habe schon als Jugendlicher in der Festivalszene gearbeitet. Meinen ersten Kontakt zu Musikfestivals hatte ich in den 1970er Jahren, als ich am Montreux Jazz Festival mit Claude Nobs zusammengearbeitet habe. 1976 war ich in Ibiza an einem Konzert, an dem Bob Marley und Eric Clapton aufgetreten sind und habe dort Queen kennengelernt. Ich verbrachte dort viel Zeit mit Freddie Mercury, Roger Taylor, Brian May und vor allem Spike Edney – das waren noch die wilden Siebzigerjahre im Hippie-Ibiza. Queen hat mich dann 1985 nach Rio de Janeiro ans erste Rock in Rio eingeladen, wo sie einen grossen Auftritt vor 250‘000 Besucher:innen hatten. Ich durfte ins Backstage und lernte Rockgrössen wie AC/DC, Scorpions, Iron Maiden, George Benson und Rod Stewart kennen.

War Rock in Rio der Startschuss für deine lebenslange Festivalpassion?

Ja, das Rock in Rio Festival mit seinen rund 1,4 Million Besucher:innen war für mich ein derart einzigartiges Erlebnis, dass ich für mich entschloss, in Ibiza das Sun Festival ins Leben zu rufen. Glücklicherweise konnte ich gleich Opus engagieren, die damals mit ihrem Welthit „Life is Life“ die Hitparaden stürmten und überall auf Platz eins waren. Als ich dann nach Madrid gereist bin und das verkündet habe, waren sofort alle mit an Bord – Radiosender, Partner, Sponsoren und sogar die Plattenfirmen. So konnte ich schliesslich das erste Sun Festival auf die Beine stellen. Es war ein riesiger Erfolg und das habe ich dann auch bis 1989 weitergezogen.

Was stand nach Ibiza an?

Ich hatte irgendwann ein bisschen den Inselkoller und bin zurück in die Schweiz. Es war auch nicht ganz einfach damals – auf der Insel gab's nicht mal eine Tonanlage. Ich musste wirklich alles aus Valencia herüberholen. Ein Jahr verpassten The Wailers von Bob Marley den Flieger – und das Konzert fiel ins Wasser. Irgendwann habe ich dann gesagt: «So, jetzt reicht’s», und bin zurück in die Schweiz. Ich habe dann angefangen, spanische Bands in die Schweiz einzuladen – die richtig grossen Rockheads wie Luz Casal, Presuntos Implicados, Héroes del Silencio, die damals Stadien füllten. Zu dieser Zeit lebten über 100'000 Spanier:innen in der Schweiz – und die haben jedes Mal das Volkshaus gefüllt. Das waren wirklich besondere Abende.

Wie bist du vom spanischen Rock und Pop zur Latin Music gekommen?

Irgendwann habe ich mich gefragt: Warum mache ich das eigentlich nur für die Spanier:innen? Ich könnte doch etwas für alle Latinos machen. Anfang der 1990er Jahre kamen ja immer mehr Communities aus Lateinamerika in die Schweiz – zuerst vor allem Dominikaner:innen, später auch Peruaner:innen und Kubaner:innen. Und so habe ich im August 1995 mit dem ersten CALIENTE! Latin Music Festival begonnen – genau da, wo wir jetzt stehen, auf dem Kasernenareal. Und es ging ab! Es war von Anfang an geplant, auch Foodstände zu haben – und natürlich Musik, viel Musik. Das Festival war ein Riesenerfolg: Tausende strömten bei schönstem Wetter herbei, und die Stimmung war einfach grandios. Das hat mich motiviert, das CALIENTE! weiterzuführen.

Wie ging‘s nach dem ersten erfolgreichen CALIENTE! weiter?

Im Jahr darauf sind wir ins Volkshaus und haben alle vorhandenen Säle genutzt. Wir hatten verschiedene Floors, wo DJs Salsa, Brasil, Bachata und Merengue auflegten. Neben den Floors hatten wir auch die grosse Bühne mit Live-Auftritten. 1997 gelang mir dann ein richtiger Coup: Ich konnte Compay Segundo, den kubanischen Musiker, der mit dem Album Buena Vista Social Club und dem Song Chan Chan, die Hitparaden stürmte. Ich konnte ihn damals für 4'000 Deutsche Mark engagieren. Es war gigantisch, die Leute standen vom Volkshaus bis zum Stauffacher Schlange. Es kamen so viele Menschen, aber es gab nicht genug Platz für alle, die dabei sein wollten.

Wie hast du das Platzproblem gelöst?

Wir haben uns dann entschieden, künftig auch draussen etwas zu machen – vor allem für all jene, die sich den Eintritt im Volkshaus nicht leisten konnten, aber einfach Teil eines grossen Fests sein wollten. Für das nächste CALIENTE! habe ich den Helvetiaplatz beantragt – und tatsächlich auch bekommen. Esther Maurer, die damals Polizeichefin war, hat mich unterstützt und hat alles bewilligt. Dank ihr konnten wir uns auf alle Strassen im Kreis 4 ausbreiten. Und so wurde das CALIENTE! immer grösser.

Roger Furrer, Veranstalter des CALIENTE! Latin Music Festivals, im Interview mit Benedict.

Was gab‘s denn sonst noch für Herausforderungen?

Die grösste Herausforderung, aber auch das Spannendeste, war eigentlich immer, die richtigen Künstler:innen zu finden – dank meiner Kontakte nach Lateinamerika und Spanien hat das gut geklappt. Natürlich war auch die Zusammenarbeit mit den Behörden der Stadt Zürich ein Thema – da gibt es viele Stellen, mit denen man sich erstmal gut arrangieren muss.

Du hast ja nebst Grössen wie Freddy Mercury auch Fidel Castro kennengelernt.    

Ja, genau. 2001 habe ich in Havanna ein CALIENTE! durchgeführt – das war eine Riesengeschichte. Die Tagesschau war dabei, und auch 10 vor 10. Ich war der einzige Ausländer, der jemals in Kuba ein Festival auf die Beine hat stellen können. Wir haben das 2001 mit dem Okay von Fidel Castro organisiert – mit rund 40 Livebands an zehn verschiedenen Locations. Und dann war da noch das grosse Open-Air-Konzert mit 100'000 Besucher:innen, das vom Schweizer Fernsehen aufgezeichnet wurde. In der Schweiz hat das einen richtigen Boom ausgelöst – plötzlich konnte ich fast alle Strassen im Kreis 4 nutzen und noch mehr Stände aufstellen. Gegen 2017 und 2018 kamen dann rund eine halbe Million Besucher:innen an drei Tagen. Das war wohl das grösste Latinomusik-Festival in Europa.

Was braucht es, um so etwas Grosses wie das CALIENTE! auf die Beine zu stellen?

Networking ist extrem wichtig. Für mich war es natürlich ein grosser Vorteil, dass ich mehrere Fremdsprachen spreche. So konnte ich direkt mit allen kommunizieren – und genau das ist bis heute zentral für mich, dass man sich verständigen kann. Dafür gibt es ja auch die Benedict Schule – um Sprachen zu lernen. Was es aber genauso braucht, ist eine gewisse finanzielle Basis. Die hatte ich allerdings nicht. Und trotzdem hat es irgendwie immer geklappt. Wir konnten das Festival damals über die Stände finanzieren – am Ende waren es rund 300 Stände. Wir waren eigentlich das erste grosse Street Food Festival der Schweiz – und sind es bis heute. Das war eine wichtige Einnahmequelle für das CALIENTE! Wir hatten auch gute Partner, vor allem aus der Reisebranche. Ich habe ja selbst lange in der Reisebranche gearbeitet und konnte diese rasch einbeziehen. Letztlich geht’s ja auch darum, dass man in diese Länder reist und die Musik dort erlebt. Man muss einfach dranbleiben und nicht aufgeben – auch wenn tausend Probleme auftauchen, immer weitermachen.

Das CALIENTE! hat seit der Coronakrise einen Wandel durchgemacht. Was ist heute anders?

Nach der Pandemie mussten wir ein komplett neues Setup und Konzept entwickeln. Das CALIENTE! in seiner ursprünglichen Form mit Hunderttausenden von Besucher:innen war während der Pandemie schlicht nicht mehr möglich. Wir mussten gezwungenermassen auf ein kleineres Areal wechseln und sind ins Kasernenareal. Das hat sich im Nachhinein aber als sehr positiv herausgestellt. Es ist heute deutlich sicherer, da wir Personenkontrollen durchführen. Beim letzten ganz grossen CALIENTE! im 2018 war es stellenweise ziemlich unübersichtlich, auch wegen der damaligen weltpolitischen Lage. Die Polizeipräsenz war entsprechend hoch. Jetzt, im Kasernenareal, haben wir ein wunderschönes, gut überschaubares Gelände – einerseits im Zeughaushof, und seit letztem Jahr auch auf der Kasernenwiese. Ich hoffe sehr, dass wir auch das 30. CALIENTE! im Jahr 2027 noch dort feiern können, bevor das Areal dann umgebaut wird.

Welchen Bezug hast du eigentlich zur Benedict Schule?

Schon seit dem ersten – oder spätestens seit dem zweiten – CALIENTE! hatten wir Kontakt mit der Benedict, die damals gleich nebenan an der Militärstrasse war. Die Schule war sozusagen unser Nachbar. Ich stand damals mit Franco Di Santo in Kontakt, und gemeinsam mit ihm sowie mit dem Schulleiter Heinrich Meister konnten wir eine Partnerschaft aufbauen, die bis heute Bestand hat. Es ist eine langjährige, sehr gute Zusammenarbeit geworden. Und auch persönlich besteht eine enge Verbindung zur Benedict Schule: Meine beiden Söhne haben dort eine Weiterbildung gemacht. Neil hat seine kaufmännische Grundbildung mit EFZ bei Benedict abgeschlossen und ist heute, mit nur 23 Jahren, bei SWISS, wo er als als Maître de Cabine arbeitet. Mein jüngerer Sohn Steve absolviert aktuell ebenfalls die kaufmännische Grundbildung mit EFZ an der Benedict. So stark hat es ihn so beeindruckt, wie sein Bruder sich entwickelt hat, dank der Ausbildung bei Benedict und samt Praktikum bei der B.H.M.S. in Luzern.

CALIENTE! Latin Music Festival Zürich

Vom 4. bis 6. Juli 2025 – Besuche uns am 27. CALIENTE!

Salsa, Reggaeton, Bachata, Cumbia, Latin House!

Über 10 Sound-Bühnen mit den besten DJs aus Zürich und Umgebung.

Street-Food: Von Arepas über Empanadas bis zu frischen Mojitos.

 

Autor:in

Julia Martinez

Julia arbeitet seit Februar 2022 als Content Creator an der Benedict Schule in Zürich. Nach beruflichen Boxenstopps in den Bereichen Video, Text und Fotografie gab sie 2017 dem Beruf als Texterin das Ja-Wort. Sie freut sich auf deine Story für das BeneMagazin!

Alle Artikel von Julia